Es lebte einmal ein alter Mann im tiefen Orient, der stets ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht trug. Seine Augen waren weise und sein Kopf immer ein Stück gen Himmel gerichtet. Wenn er sich gelegentlich hinsetzte, stützte er sein Kinn auf die rechte Hand, um diese Position beizubehalten. Als er einmal so in seinem Garten verweilte, den Ellenbogen auf einen wunderschön mit Intarsien verzierten runden Tisch gestützt, blickte er über die Gartenmauer hinaus und sah dort einen wunderschönen Rosenstrauch, der in einem schon fast überirdisch pinken Farbton erstrahlte. Die Blüten präsentierten sich in voller Pracht. Ihm fielen seine vier silberblechernen, runden Döschen ein, die – mit Ornamenten verziert, auf der Ablage an einem Zimmerfenster ordentlich gestapelt standen. Er wollte alle Rosenblüten ernten und sie in die einzelnen Döschen legen. Als er aufstand und die Blumen anvisierte, um sie abzuschneiden, verwandelten sich diese in Köpfe von Kindern, die ihn lachend und voller Vertrauen anblickten: „Pflück uns nicht, Alman!“ – denn so war sein Name. „Pflück uns nicht!“ Und so ging er auf die Knie, in Ehrfurcht vor diesem Moment. Er küsste den Boden. Die Döschen holte er später und brachte sie zu diesem aufblühenden Strauch. Nun waren es wieder Rosen. Mit den kleinen Gefäßen goss er von nun an täglich diesen besonderen Strauch und die Blumen erblühten immer wieder, Jahr für Jahr – bis sie so groß gewachsen waren, dass sie den Himmel berührten und ihn küssten. In diesem Moment fielen von oben regenbogenfarbene Blütenblätter auf Alman herunter. Er genoss ihre Berührung auf seiner Haut und im selben Moment wurde er von allen Gebrechen geheilt, obwohl er schon alt und schwächlich war. So lebte er noch ein sehr langes und glückliches Leben.
1001-2 Der alte Mann Alman
