Jewy war ein Junge, dessen Gesicht schon von Geburt an immer einen auffällig goldenen Glanz hatte, obwohl er in purer Armut aufwuchs. Jeder konnte diesen im hellsten Tageslicht, aber auch im Nachtdunkel klar erkennen, doch nicht jeder nahm ihn auch bewusst wahr. Er war ein besonderer Junge und obwohl er in eher ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, blickte er doch tief in die Dinge, die den Alltag und die Dinge des gesamten Universums betrafen. Eines Tages fand er die wohl schönste Blume, die diese Welt auf ihrer gesamten Oberfläche zu bieten hat – und diese ist gewaltig, wenn man sie einmal von oben aus dem Weltraum betrachtete. Die Blume war wundervoll und kunstvoll gestaltet – mit einem äußeren Ring aus Blütenblättern, die von Weiß über Rot nach Gelb unfassbar schön geflammt waren. Man hatte das Gefühl, dass die Übergänge durch viele kleine Ornamente geschaffen wurden, die sich dem Auge jedoch nicht komplett erschlossen. Es folgte ein kunstvoller Kreis schnörkelhafter Blumenblattfäden, die an Zebras und ultraviolettes Licht erinnerten. In deren Mitte gelb-rote Blütenstempel, fünf Stempelblätter und drei Stempelknollen – allesamt wie von Meisterhand gestaltet. Letztere strahlten ein besonderes, helles Licht ab, das wie aus einer anderen Welt zu stammen schien. Der Junge besah sich die Pflanze in Ruhe und mit aller Hingabe. Im widergespiegelten Licht schien er die aktuellen Gegebenheiten der Welt präzise erkennen zu können. Und zwar in ihrer Tiefe – nicht nur ihrem intellektuellen Schein nach. Er nahm den Duft war, den die wundersame Blume so nah vor seinem Gesicht, das zugleich kindhaft und doch erwachsen wirkte, verströmte. Auch wenn er kein studierter Parfümeur oder dergleichen war, nahm er doch wahr, dass sich in der Blüte männliche Düfte (es waren Fougère Akkorde auf starker Moschusbasis) mit der Wärme und Sanftheit weiblicher Noten (harziger Amberduft und reiche Vanille mischten sich traumhaft mit der Sanftheit einer Damaszener Rose) kombinierten. Der daraus resultierende Duft glich einer Fantasie-Mischung, die dem Namen „Goldstaub“ alle Ehre gemacht hätte. In seinem Kopf bezeichnete Jewy die Blume genau mit diesem Namen. Nach fast genau einer Stunde sinnlicher Betrachtung und ausgiebigen Studiums dieser wunderschönen, wohlduftenden Pflanze nickte Jewy am Ende nur kurz, lächelte schließlich über das ganze Gesicht und entschied sich, einmal Politiker zu werden. Und das wurde er dann auch. Berühmt wurde er in den folgenden Jahren unter dem Titel, den ihm das Volk gab: König der Herzen und wahrer Menschenfreund. Am Tag seiner Krönung schien die Sonne besonders hell und golden. Und die sich bislang selbst als Menschenfreund bezeichnet hatten und die Welt ins Dunkel geritten hatten, vergingen und waren nicht mehr da.
1001-1 Der Junge, der König wurde
